Rev. 1.1 2015.12.11 – Ergänzung zur Lebenserwartung

Rev. 1.0 2015.10.05 – Veröffentlichung

Sandwichfassade mit kleinem Rostflecken und Kennzeichnung "Rost"

Vielfach drehen sich Streitigkeiten zwischen dem Beauftragten und dem Beauftragenden darum, ob das Erscheinungsbild der Bauleistung im Metallleichtbau den Ansprüchen genüge. Die Unsicherheit auf beiden Seiten ist groß … Anlass genug für einige Überlegungen grundsätzlicher Natur mit der Absicht, damit zu einer Versach-lichung der Dis-kussionen beizutragen.

Links oder oben: Der Auftraggeber hat vor Gericht Rostflecken an der Fassade zum Gegenstand einer Mangelbehauptung gemacht und stellt zum Ortstermin sicher, dass der Sachverständige auch alles findet.

Metallleichtbau gleich Industriebau? Herkunft und Heimat der Bauweisen mit Stahltrapezblech, Kassetten und Sandwichelementen sind der Gewerbe- und Industriebau. Schon immer ist es Ziel gewesen große Flächen zu kleinen Kosten schnell, zuverlässig und im Rahmen des Zulässigen zu schließen. Gehobene Ansprüche an das Erscheinungsbild gibt es nicht. Im Grunde handelt es sich um kostenoptimierte Minimalsysteme, die gerade in der Lage sind, den oben skizzierten Anforderungen zu genügen. Die Blechdicken werden so gewählt, dass das notwendige Tragvermögen so eben noch erreicht wird. Hauchdünne Zink- und Lacküberzüge können im Zusammenspiel einen moderaten Korrosionsangriff 15 Jahre überdauern – allerdings bei deutlich wahrnehmbarer Alterung einschließlich der Inkaufnahme von Flecken.

Im Industrie- und Gewerbebau geht es – von wohlmeinenden, vereinzelten und vielfach hilflos anmutenden Ausnahmen abgesehen – nicht um Ästhetik. Im Vordergrund steht die Funktion der Gebäudehülle, die – vergleichbar mit einem Schuppen oder einer Scheune – in erster Linie das Innenleben also das eigentliche Investitionsziel, vor der Witterung schützen soll. Ein wenig ist das Arrangement vergleichbar mit der Papiertüte, in der ein Bäcker seine Brötchen über die Theke reicht: Ein notwendiges Übel, das man zwar bunt bedrucken kann, dem ansonsten keine Bedeutung zukommt. Dementsprechend wird die Gestaltung dieser Bauwerke zumeist den beteiligten Managern und Ingenieuren überlassen, und die Form folgt der Funktion. Der Gestaltungswille erschöpft sich oft in der Ausbildung ausgedehnter, schimmernd grauer Wandwüsten mit den der Nutzung geschuldeten Durchbrüchen für Fenster, Tür und Tor. Im Widerspruch zu dem bereits Angemerkten steht der vielfach zu beobachtende gehobene ästhetische Anspruch, der insbesondere dann, wenn es zur Abnahme geht, der Gebäudehülle seitens des Beauftragenden zugemessen wird.

Das Menschenmögliche Auf die Besonderheiten metallisch schimmernder Farbtöne, die zulässige Abweichung der Lage im Farbraum und die Farbtreue zwanzig Millionstel Millimeter dicker Lackschichten wird in einem der Folgebeiträge eingegangen werden. An dieser Stelle sollen die Abweichungen vom Ideellen – wie sie bei Transport, Handhabung und Montage entstehen – im Blickpunkt stehen. Die Montagerichtlinie liefert dazu den folgenden Hinweis:

Stahlleichtbauelemente werden gebrauchsfertig mit fertiger Oberfläche angeliefert und besitzen meistens Beschichtungsdicken bis 25 µm. Dabei ist zu beachten, dass die Beschädigungsempfindlichkeit bei der Beschichtungsdicke unterschiedlich ist. Selbst bei größte(r) Sorgfalt bei Produktion, Transport, Be- / Abladen und Montage sind trotz werksseitigem Schutz kleinste Beschädigungen der Beschichtung nicht ausgeschlossen.

Hier wird verklausuliert – fast ein wenig verschämt – mitgeteilt, was erfahrenen Monteuren und Bauleitern, besonders aber den Sachverständigen als selbstverständlich bekannt ist: Keine Handhabung oder Montage ohne kleine Kratzer oder Dellen. Einfache Kantteile aus dünnem Stahlblech liegen fast nie glatt an, sondern wölben sich zwischen den Befestigungspunkten auf. Baustellenschnitte an Elementen und Kantteilen sind nicht immer gerade und die Schnittkanten nicht wirklich glatt. Späne lassen sich nicht vollständig beseitigen und rufen braune Streifen und Flecken hervor.

Zudem hängt die Wirkung auf den Betrachter maßgeblich vom handwerklichen Geschick des Monteurs aber auch von den Witterungsbedingungen zum Zeitpunkt der Ausführung und der Beschaffenheit der Baustelle – besonders auch von ihrer Sauberkeit – ab. Ein Blick auf die zulässigen Toleranzen für die Herstellung der Elemente führt zu der Erkenntnis, dass es unmöglich ist ein ansprechendes Erscheinungsbild zu erzielen, wenn der Hersteller der Bauelemente diese Toleranzen auslebt. Sägezahnartiger Versatz im Fußpunkt vertikal montierter Sandwichelemente, ungleichmäßige Fugen, nicht fluchtende Tropfprofile sind einige der möglichen Folgen.

Wo die Latte hängt Ein in der Praxis bewährtes Verfahren für die Beurteilung von Mangeleinreden an Bauleistungen ist die Zielbaummethode nach Aurnhammer und Oswald. Vereinfacht dargestellt liegen dem Algorithmus folgende Überlegungen zu Grunde: Jedes Bauwerk, jede Bauleistung hat Funktionen – wie zum Beispiel Standsicherheit, Wind- und Regendichtheit – zu erfüllen und eine ästhetische Wirkung auf den Betrachter. Festgestellte Mängel lassen sich zumeist einer der beiden Ansprüche an die Bauleistung zuordnen. In der Literatur werden vielfach die Begriffe die Begriffe Funktions- und Geltungswert verwendet. Im Zusammenspiel mit einer Abschätzung der Auswirkung des festgestellten Mangels auf den Teilanspruch ergeben sich relative Abminderungen, die erst auf den Teilanspruch und dann auf den Gesamtpreis für die Leistung bezogen werden. Offensichtlich kommt bei diesem Verfahren der Aufteilung in Funktions- und Geltungswert eine hervorragende Bedeutung zu.

Unter der Annahme, dass eine Mangelfestellung einen Minderwert von 5% des Geltungswertes betrage, ergeben sich bei der Verteilung

Grafik zum Zielbaumverfahren, Bezug des Teilmangels auf den Geltungswert von 50%

Geltungswert gleich Funktionswert ein Minderwert vom Gesamten von:

5% von 50% gleich 2,5% der Auftragssumme.

Grafik zum Zielbaumverfahren, Bezug des Teilmangels auf den Geltungswert von 25%

Bei einer Verteilung von drei zu eins – das entspricht der Oberliga im Metallleichtbau – ergibt sich ein ganz anderer Betrag: 5% von 25% gleich 1,25% der Auftragssumme, also die Hälfte.

Insbesondere bei den klassischen Bauweisen des Metallleichtbaus ist die Annahme eines hohen Geltungswertes nicht zutreffend. Nachstehend werden Ansätze für einige, häufig anzutreffende Gewerke mitgeteilt:

Übersicht: Geltungswerte und Funktionswerte für Gewerke im Metallleichtbau

Ein Geltungswert von drei Zehnteln ist im Kontext von Industrie- und Gewerbebau das “Höchste der Gefühle”. Wer höhere Ansprüche an das Erscheinungsbild seines Bauwerkes stellt, ist mit den klassischen Produkten des Metallleichtbaus definitiv falsch beraten und sollte zu anderen, wesentlich kostspieligeren Produkten greifen.

Außenseiter

Eine Ausnahme spielen die Produkte, deren Bestimmung eindeutig im Dekorativen zu sehen ist. Das sind insbesondere die sogenannten Sidings – gemeint sind kuchenblechförmige Wetterschalen aus dünnem Stahlblech und ihre Unterkonstruktion – und vergleichbare Fassadensysteme. In diesem Zusammenhang kann der Funktionswert zu maximal 50% abgeschätzt werden.

Lebenserwartung

Bei der Beurteilung von Mängeln, die sich nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand beseitigen lassen, kommt der Begriff der Lebenserwartung ins Spiel. Es geht darum, die voraussichtliche Nutzungsdauer des Bauwerks abzuschätzen

Der Aufwand für wiederkehrende Wartungsarbeiten kann auf dieser Grundlage ermittlet werden oder der anteilige Minderwert aus irreparablen Beschädigungen des Korrosionsschutzes.

Blick auf den unteren Rand eines etwa vierzig Jahre alten Stahltrapezbleches. Trotz ausreichenden Abstandes und Luftumspülung sind deutliche Korrosionsspuren zu erkennen. Der Abtrag des Zinkmantels arbeitet sich von der Schnittkante nach oben.

Blick auf den unteren Rand eines etwa vierzig Jahre alten Stahltrapezbleches. Trotz ausreichenden Abstandes und Luftumspülung sind deutliche Korrosionsspuren zu erkennen. Der Abtrag des Zinkmantels arbeitet sich von der Schnittkante nach oben. Typischerweise setzt weitere Korrosion an den Biegeschultern ein.

Bei Bauwerken in massiver Bauweise, verbunden mit einer Nutzung als Wohnung, Geschäft oder Büro, kann eine Nutzungsdauer von fünfzig Jahren und mehr angenommen werden. Diese Spanne fällt bei Industrie- und Gewerbebauten in Leichtbauweise deutlich geringer aus. Hier ist der Ansatz von etwa 25 Jahren nach Errichtung angemessen.

Zum Einen ist das der Lebenserwartung der verwendeten Bauteile und insbesondere ihrem Widerstandsvermögen gegen Korrosion, vergleiche hierzu den Beitrag “Rostfraß“, geschuldet. Es ist zudem davon auszugehen, dass die Dacheindichtung spätestens dann erneuert werden muss.

Zum Anderen handelt es sich vielfach um Investitionen, die an eine bestimmte Funktion in einem Geschäftsmodell gebunden und darauf zugeschnitten sind. Diese Gebäude sind für anderweitige Nutzungen nur sehr bedingt zu gebrauchen.

Quellen

IFBS 8.01:2009-04 “Richtlinie für die Planung und Ausführung von Dach-, Wand- und Deckenkonstruktionen aus Metallprofiltafeln” IFBS-Industrieverband für Bausysteme im Metallleichtbau, April 2009

Wikipedia: Zielbaumverfahren

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Korrosion – durch Oxidation bewirkte Zersetzung eines Metalls, umgangssprachlich „Rosten“